Worüber wir dringend reden müssen!

Dies ist das erste mal seit vielen Tagen, das meine Finger in die Tasten hauen und ich versuche das, was ich lese, sehe, denke, in Worte zu fassen. Viel zu sehr schaudere ich noch über die Ereignisse und staune ich doch schon voller Begeisterung über das, was gerade passiert: eine unglaubliche Solidarisierung. Und das nicht nur von den üblichen Verdächtigen, sondern quer durch alle Instagram-Algorithmen, durch die Welt, durch alle Gesellschaftsschichten. Der gewaltsame Tod von George Floyd hat eine Betroffenheit ausgelöst, die längst überfällig war und im speziellen – Polizeigewalt in Amerika – und im großen Kontext – Rassismus –, sichtbar macht, was so oft übersehen wird.

Wir unterscheiden Menschen, messen ihnen verschiedene Wertigkeiten zu und bauen ganze gesellschaftliche Strukturen darauf auf. Die größten Verlierer der Corona-Krise sind beispielsweise nicht die Eigentümer der Kaufhäuser in den großen Innenstädten, es sind die Produzenten der dort verkauften, oder eben gerade nicht verkauften Kleidung, in Bangladesch, Myanmar, Indien usw. Die Ausbeutung des globalen Südens zur Produktion unserer billigen Kleidung hat andere Hintergründe als der strukturelle Rassismus, gegen den gerade hunderttausende Menschen unter dem Hashtag #blacklivesmatter online sowie offline demonstrieren. Aber sie beruht auf dem gleichen Prinzip: Es bereichert sich eine Gruppe Menschen an der Ausbeutung einer anderen – und diese Unterscheidung beruht auf äußerlichen Merkmalen wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht.
Ehrlich, deutlich und sachlich fasst das Kalkidan Legesse in ihrem Artikel für The Guardian zusammen.

Der einzige Weg aus der globalen Ausbeutung heraus ist eine Sorgfaltspflicht. Unternehmen müssen für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden. Zum heutigen Status Quo ist ein europäisches Unternehmen kaum zur Verantwortung zu ziehen, wenn in einer der Fabriken in Asien etwas passiert. Kalidan Legesse schreibt in dem oben verlinkten Artikel: “The fast fashion industry has been reliant on the exploitation of garment workers since its conception. The UK spends billions on clothes every year and yet some garment workers only take home £20 a week. Of the 74 million textile workers worldwide, 80% are women of colour.”

Großbritannien gibt Milliarden Pfund im Jahr für Kleidung aus, bei den Textilarbeiter*innen kommen aber nur 20 Pfund in der Woche an. Von den 74 Millionen Textilarbeiter*innen sind 80 % Frauen unterschiedlicher Hautfarben.

Es macht mich immer wieder fassungslos, dass wir so tun, als hätten wir keine Verantwortung ob dieser Ungerechtigkeit – beruht doch unser Wohlstand auf der Armut der ArbeiterInnen.

Ihr habt es sicherlich schon gehört, aber Lisa Jaspers, Gründerin von FOLKDAYS hat vor zwei Jahren eine Petition für ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht gestartet, die bis heute mehr als 173 Tausend Menschen unterschrieben haben. (Habt ihr noch nicht? Dann jetzt schnell hier.) In der ganzen Corona-Krise und den damit verbunden wirtschaftlichen Schwierigkeiten (man vermutet, dass keine Industrie so stark betroffen sein wird, wie die Modeindustrie) schien es erst so, als würden alle Bemühungen auf Eis gelegt, aber am 11.06.2020 veröffentliche Lisa Jaspers einen Hoffnungsschimmer: Bundesentwicklungsminister Müller, Inititiator des Textilbündnisses und Arbeitsminiser Hubertus Heil lassen einen Gesetzesentwurf erarbeiten. Es bleibt auch zu hoffen, dass das Bundeskanzleramt mit Angela Merkel und Minister Altmaier dem zustimmen, statt es zu blockieren.

Und auch auf EU-Ebene passiert etwas: EU-Justizkommissar Didier Reynders verkündete, 2021 einen Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz vorzulegen.
Mehr dazu lesen könnt ihr auf der Website der Initiative zum Lieferkettengesetz, die eben jenes nach vorne bringen möchte.

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Thekla

Ich mache hier mal einen Punkt, denn jetzt haben wir hier zwei Mammut-Themen angerissen, die es erstmal zu Verarbeiten gilt. Die Fast-Fashion-Modeindustrie ist rassistisch. Wir beuten Männer* und vor allem Frauen* aus und lassen sie schutzlos zurück, wenn es schwierig wird. Ändern können das nur Gesetze, die derzeit noch viel zu langsam vorankommen. Aber wir wissen es ja – wir können uns alle erstmal an die eigene Nase fassen. Was sind eure Gedanken dazu? Teilt sie gerne mit uns.

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Thekla